Ungeklärte Fragen zum Konter von Jürgen Todenhöfer auf Kritik an seinem al-Qaida-Interview

Bildschirmfoto 2016-09-28 um 21.24.21.pngEs hat einige Zeit gedauert, bis Jürgen Todenhöfer auf kritische Fragen zu seinem jüngsten Interview (DerOrient.com berichtete) mit einem angeblichen al-Qaida-Kommandeur bei Aleppo eingegangen ist. Auf Facebook veröffentlichte er einen „Konter“. Die meisten Fragen lässt Todenhöfer allerdings unbeantwortet und seine Stellungnahme werfen neue auf.

Jürgen Todenhöfer wirft seinen Kritikern vor: „dass [diese] einer Terrororganisation mehr glauben als mir ist schon ein Hammer“. Dabei geht es hier überhaupt nicht darum al-Nusra, die bereits seit zwei Monaten Jabhat Fath al-Sham heißt, mehr zu glauben, denn es gibt weitaus mehr Punkte, die Zweifel schüren, als die Stellungnahme der Organisation, dass Todenhöfer nicht bei ihr gewesen sei.

Das Argument mit dem Goldring ist tatsächlich mit Abstand das schwächste. So ist es zwar unwahrscheinlich, dass ein Kommandeur einer inzwischen so wichtigen Einheit wie der ex-al-Nusra bei einem Interview einen solchen Ring trägt, aber nicht gänzlich unmöglich.

Todenhöfer zitiert den Pro-Assad-Sender al-Mayadeen, um den Vorwurf, al-Qaida arbeite direkt mit israelischen Offizieren in Syrien zusammen, zu bestätigen. Diesen Sender als Beweis für solche harten Anschuldigungen zu belegen reicht bei weitem nicht aus.

Doch wirft ein weiteres Gegenargument Todenhöfers größere Fragen auf: Todenhöfer behauptet, dass das Interview nicht im Steinbruch Ayn al-Asafeer, sondern bei Khan Tuman geführt wurde. Bei Khan Tuman gibt es tatsächlich eine starke ex-Nusra-Präsenz, da die Stadt fest in Rebellenhand ist. Insofern könnte es durchaus stimmen, dass dort ein Kommandeur interviewt wurde. Allerdings spricht der angebliche Kommandeur davon, dass der Ort des Interviews in der Nähe von Sheikh Saeed, einem großen Stadtviertel von Aleppo, liege. Nahe Sheikh Saeed findet sich ein Steinbruch, welchen Kritiker von Todenhöfer mit ziemlich guten Methoden lokalisieren konnten.

Mit den gleichen Verfahren werden im Syrien-Krieg Frontverläufe ziemlich genau ermittelt. Der Steinbruch von Khan Tuman liegt aber weit von Sheikh Saeed entfernt, womit Todenhöfer den Ortsangaben seines Interviewpartners direkt widerspricht.

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Interessant ist bei Todenhöfers Konter zudem die mitunter aggressive und ausfällige Rhetorik. Seine Kritiker bezeichnet er als „einige Ignoranten“ und „Propagandisten“ von al-Qaida. Nein, es gab offene Fragen, diese wurden gestellt. Wenn Todenhöfer im Recht ist, wieso widerlegt er seine Kritiker nicht sachlich? Wieso sagt er nicht „Ihr habt euch hier getäuscht, weil …“ und präsentiert schlüssige Beweise? Beleidigungen wirken alles andere als souverän, sondern eher wie eine Flucht nach vorn. Am wenigsten verständlich bleibt jedoch der Umstand, dass Todenhöfer (oder sein Admin) kritische Kommentare löschen lässt und auch bei sachlicher Kritik die Kommentarfunktion deaktiviert. Mir jedenfalls reichen all diese Punkte, um mir meine unabhängige Meinung zu bilden.

 

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Interview mit 3alog: Die Entwicklung des Syrien-Konflikts hin zu einem Krieg mit konfessionellen Zügen

3alog hat mich zu den Entwicklungen in Syrien von Demonstrationen im Zuge des Arabischen Frühlings hin zu einem internationalen Konflikt mit konfessionellen Zügen befragt. Ich habe dabei versucht, die Ereignisse möglichst knapp darzustellen. Bei der Komplexität es Konfliktes mussten daher einige andere Punkte ausgelassen werden.

5. Jahrestag der Syrischen Revolution: Wie alles begann

Heute begehen Aktivisten weltweit den 5. Jahrestag des Beginns der Demonstrationen in Syrien. Fünf Jahre danach sind große Teile des Landes zerstört und der Konflikt wird auf einen Kampf zwischen Assad-Regime und radikalen Islamisten verengt. Wie der Konflikt begann und das Erscheinungsbild und Forderungen der damaligen Demonstranten geraten dabei völlig in den Hintergrund. „5. Jahrestag der Syrischen Revolution: Wie alles begann“ weiterlesen

Die syrische Revolution (Teil 6) – Zwischen Regime und Dschihadisten: Christliche Milizen in Syrien

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Die syrische Revolution (Teil 5) – Aspekte alawitisch-sunnitischer Polarisierung

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In der Mitte vorne Mihrac Ural, Chef der Pro-Assad-Miliz „Liwa Iskenderun“

Seit dem Ausbruch der Unruhen in Syrien im März 2011 gilt die Küstenregion als „Bollwerk“ des Regime. Die Küstenregion ist gleichzeitig das Kerngebiet der Alawiten Syriens. Demonstrationsikonen wie die Schauspielerin Fadwa Sulaiman blieben die Ausnahme. Der vorliegende Artikel wird sich nur mit einer Auswahl an Gründen für eine Polarisierung beschäftigen und nicht mit der zivilen Opposition. Assad Klan selbst gehört zur Minderheit der Alawiten. Es werden Gründe für eine enge Bindung von Alawiten an das Regime aufgelistet und Aspekte einer sunnitisch-alawitischen Polarisierung im Verlaufe des Konflikts dargestellt. Teilweise wurde diese vom Regime bewusst geschürt. „Die syrische Revolution (Teil 5) – Aspekte alawitisch-sunnitischer Polarisierung“ weiterlesen

Die syrische Revolution (Teil 3) – Die radikal-schiitischen Milizen an der Seite Assads

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Ein wichtiger Aspekt in den einzelnen Stufen der Radikalisierung und Konfessionalisierung in Syrien und dem Irak ist der Eintritt radikal-schiitischer Kämpfer in den syrischen Bürgerkrieg. Dieser Aspekt wird bei der Betrachtung von Auslandskämpfern in Syrien und dem Aufstieg radikaler Kräfte meist übersehen. In Teil 3 der Reihe Syrien: Wie konnte sich die Revolution radikalisieren? betrachte ich daher eine Auswahl radikal-schiitischer Kampfgruppen und deren Mobilisierung für einen bewaffneten Dschihad in Syrien – an der Seite von Assad.

(Hinweis: Da zahlreiche verlinkte Youtubeaccounts nicht mehr existieren, wurden die Videos vom Autor dieses Artikels gesichert.) 

Inhalt:

1.„Labbayka ya Husain“: Radikal-schiitische Kämpfer für Assad

2. Die Iranischen Revolutionsgarden in Syrien

3. Der Eintritt der libanesischen Hisbollah in den Krieg: Die Schlacht von al-Qusair als Anfang des offen konfessionellen Konfliktes

3.1 Hasan Nasrallahs Rede zum Eintritt der Hisbollah in den syrischen Bürgerkrieg

3.2 Mutmaßliche Kriegsverbrechen der Hisbollah auf dem Schlachtfeld in Syrien

4. Liwa Aba l-Fadl al-Abbas (dt. „Abbas Brigade“)

5. Liwa Dhu l-Fiqar (Dhu l-Fiqar-Brigade)

6. Liwa Ammar ibn Yasir (Ibn Yasir-Brigade) in Aleppo

7. Mobilisierung des kollektiven Gedächtnisses der Schiiten

8. Fazit: Eintritt schiitischer Kampfgruppen als Eskalationsstufe für einen konfessionellen Konflikt


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Dokumentation „Aleppo. Notes from the dark“

Vor 4 Jahren galt Aleppo als Wirtschaftsmetropole Syriens und ein Zentrum von kulturellem Erbe. Seit dem Beginn der Revolution hat sich das Leben der Stadtbewohner radikal verändert. Davon handelt die Dokumentation „Aleppo. Notes from the dark“

Trailer „Aleppo. Notes from the dark“ from Studio Szumowski on Vimeo.

Assad der lachende Dritte

Nachdem die großen syrischen Rebelleneinheiten vor gut zwei Wochen eine Großoffensive gegen die al-Qaida-Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) begannen (DerOrient.com berichtete), scheint sich eine Befürchtung innerhalb der Opposition zu bewahrheiten: Assad versucht von der Zerstrittenheit seiner Gegner militärisch zu profitieren.

RebellengegenAssadAleppoISIS musste unterdessen die meisten Stellungen im Großraum Aleppo räumen. Nord-Syrien war seit dem Beginn der Kämpfe und dem Sturm auf Aleppo im Juli 2012 fest in Rebellenhand. Unterstützt wurden die Rebellen vielerorts von salafistischen Jihadisten aus dem Ausland, die über besondere Kampferfahrung verfügten und daher als Spezialeinheiten der Rebellen fungierten. Doch diese fallen nun weg. Im Osten Syriens erleiden die syrischen Rebellen massive Verluste gegen die Kämpfer von ISIS, da diese über Nachschubrouten aus dem Irak verfügen. ISIS konnte die ost-syrische Stadt ar-Raqqa und das Umland inzwischen wieder unter militärische Kontrolle bringen.

Jetzt versuchen regimetreue Truppenkontingente genau an den Stellen vorzustoßen, die von den kampfstarken al-Qaida-Kämpfern zuvor geräumt worden waren. Al-Qaida verfährt bei seinem Rückzug nach dem Grundsatz „verbrannte Erde“. Droht die Einnahme eines Hauptquartieres oder einer Stellung durch die Freie Syrische Armee, die Islamische Front und deren Verbündete, werden alle Gefangenen zusammengetrieben und erschossen. Gelingt es einer al-Qaida-Einheit Rebellen gefangen zu nehmen, werden diese auf der Stelle exekutiert. Alle gegen al-Qaida kämpfende Rebellen werden als Ungläubige oder Apostaten angesehen und sind damit hinzurichten.

Nach Angaben des arabischen Nachritensenders al-Jazeera hat die Syrische Armee von Baschar al-Assad damit begonnen, strategisch wichtige Zugangsstraßen und Gebiete am Stadtrand der Wirtschaftsmetropole Aleppo zu attackieren und kann jetzt erfolgreicher vorstoßen, da große Kontingente der Rebellenbrigade im Kampf gegen al-Qaida gebunden sind. Unterstützt wird Assad inzwischen auch im Umland von Aleppo von schiitischen Jihadisten aus dem Irak und der libanesischen Hisbollah.

Analyse der Ereignisse der Revolution in Syrien von März 2011 bis Mai 2013:

Was man über den Syrienkonflikt wissen sollte

Eine Zusammenfassung der Ereignisse von der Schlacht um al-Qusayr Mitte 2013 bis heute ist in Bearbeitung

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Nachdem Aktivisten am Freitag zu einem „Day of Rage“ gegen die al-Qaida-Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS/ISIL) aufgerufen hatten, hat eine breite Front an Rebellengruppierungen begonnen Stellungen und Hauptquartiere von ISIS zu attackieren.
kafranbel
In den vergangenen Wochen hatten Kämpfer von al-Qaida immer wieder Führer der Freien Syrischen Armee und der Aktivisten der säkularen und zivilen Widerstandsbewegung festgenommen, gefoltert und enthauptet. Zahlreiche ausländische Journalisten wurden entführt. Viele Revolutionäre, die zunächst die Hilfe von Jihadisten befürworteten, wandten sich schließlich gegen al-Qaida und warfen ihnen sogar Kollaboration mit dem Assad-Regime vor, da ISIS genau jene Aktivisten verhaftete, die auf den Listen des Regimes standen. „Syriens Rebellen erklären al-Qaida den Krieg“ weiterlesen